Überfall auf Polen 1939 – Kriegsbilder Gorch Fock, HinrichWriede, Hans J. Massaquoi und Rudolf Kinau

1. 5. September 2009
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KRIEGSBILDER Gorch Fock, Hinrich Wriede, Hans J. Massaquoi und Rudolf Kinau
 

KRIEG und PROPAGANDA

Der Ausbruch des ersten Weltkriegs wurde von den Deutschen mit Begeisterung begrüßt. Die Lust am Krieg gründete sich auch auf eine Kriegspropaganda mit beispiellosem Erfolg. Der Überschwang führte dazu, dass bereits im ersten Kriegsmonat August 1914 Anderthalbmillionen Kriegsgedichte entstanden, also 50.000 im Tagesdurchschnitt. Ein Dichter, der sich an dieser „Kriegsproduktion“ beteiligte, war Johannes Kinau, alias Gorch Fock, geb. 22.08.1880, gest. 31.05.1916.
 

Der Dichter und sein Werk

Der älteste Sohn eines Fischers auf Finkenwerder sollte nach dem Wunsch seines Vaters eigentlich ebenfalls die Seestiefel anziehen und Fischer werden. Aber der Bub war zu schmächtig und zu sensibel für diesen Beruf. Er lernte Kaufmann, arbeitete bei HAPAG und wurde als Schriftsteller bekannt. Er schrieb in hoch- und plattdeutscher Sprache. In seinem Hauptwerk „Seefahrt ist Not“ stilisierte er den Beruf eines Fischers zum heldenhaften Kampf auf Leben und Tod. Er bediente sich dabei vieler Klischees aus der imperialen Flottenpropaganda des Kaiserreiches, die Wilhelm II. bei einem Stapellauf mit den Worten ausgedrückt hatte: „Bitter not tut uns eine starke Flotte..“
Die Symbolkraft eines „Helden“ führten Gorch Fock über das eigene Buchhalterdasein und die herabwürdigende Existenz seines Vaters auf der Baggerschute hinweg. Die See, Deutschtum, Stolz, Schicksalsergebenheit, Kampfbereitschaft und vor allem heldische Züge, diese Zusammenhänge, toposartig mit dem Namen Gorch Fock verbunden, wurden 1933 gezielt gesucht und entsprechend der Nazi-Ideologie als Führungsgestalten proklamiert und als Legimation ihres Handelns eingesetzt.
 

Überfall auf Polen am 01. September 1939

Dem Überfall auf Polen ging eine heftige Propagandaschlacht der Nazis voran, um den völkerrechtswidrigen Angriff zu rechtfertigen. In Polen wurde mit großer Sorge registriert, wie Tag für Tag Lügen über provokative Angriffe der Polen berichtet wurden. Doch erst der
deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt Ende August mit dem Geheimabkommen zur Teilung des Landes ermutigte die Nazis, die Polen anzugreifen. Es war kein regulärer Krieg. Er wurde nicht erklärt und er richtete sich nicht gegen die Armee. Der Kampf der Nazis galt dem ganzen Volk. Von Anfang an waren zivile Ziele und die Bevölkerung selbst der „Feind“, den es zu bekämpfen galt. Die als „minderwertig“ eingestuften Slawen sollten vernichtet, die „gebrauchsfähigen“ versklavt und das Land und seine Ressourcen für die deutschen Herrenmenschen vereinnahmt werden. Es begann die deutsche Herrschaft in Polen, eines der dunkelsten Kapitel des 20. Jahrhunderts.

Bereits im ersten Weltkrieg wurden das Völkerrecht und die Menschenrechte massiv verletzt. Und gerade im Osten fanden auch Massaker gegen die Zivilbevölkerung statt. Diese unheilvolle Entmenschlichung und Propaganda war noch sehr virulent. Das zeigen Briefe, die im Rahmen der Wehrmachtsausstellung analysiert wurden. Die Nazis benutzten die vorhandenen Ressentiments gegen die Polen und die kriegsverherrlichende Literatur für ihre menschenverachtende Ziele. Zum Beispiel die von Gorch Fock.
 

Hinrich Wriede Lehrer und Rassist

Der mit Gorch Fock befreundete Wriede, geb. in Finkenwerder 04.09.1882 und gestorben am 02.05.1958 in Hamburg, wurde zunächst Lehrer in Finkenwerder. Er versuchte sich als Maler und ging für ein Jahr nach Paris, entschloss sich aber nach der Rückkehr, neben dem Beruf lieber zu publizieren. Hauptsächlich nutzte er dafür das Finkenwerder Platt. In einer Veröffentlichung des Werkbundes für Deutsche Volkstums- und Rassenforschung 1927: „Die Elbinsel Finkenwärder“ beschrieb H. Wriede die Siedlungsgeschichte, die Mundart, die Bräuche, die Wesensart und Eigenart der Insulaner. Dr. Walter Scheidt berichtete im zweiten Teil über die Ergebnisse seiner rassenkundlichen Forschungen der Finkenwerder Bevölkerung; die ersten, die in Nordwestdeutschland durchgeführt wurden. Hinrich Wriede erfuhr erst vor wenigen Jahren wieder das Interesse der Öffentlichkeit. Diesmal galt es vor allem seinem Verhalten in der Nazi-Zeit. Er wurde 1933 Schulleiter in Barmbek, Gauredner, trat der SA bei und erhielt das Goldene Parteiabzeichen. Bereits als Lehrer in Finkenwerder war er nicht gerade zimperlich. Wie seine Gaureden geklungen haben müssen, kann man sich vorstellen. Denn seine Abschiedsrede in der Barmbeker Schule enthielt folgendenPassus: „Der Führer wird dafür sorgen, dass Deutschland nie wieder zu einer Zufluchtstätte für verräterrisches Gesindel wie Juden, Neger und andere Außenseiter wird.“
 

Afrikaner in Hamburg

Die Träume von der Rückeroberbung der deutschen Kolonien in Afrika führten in Hamburg zu einer ambivalenten Haltung gegenüber diesem Personenkreis. Ehemalige afrikanische Beamte in Diensten der Kolonialmacht und Mitglieder der konsularischen Vertretungen wurden, trotz des Rassenwahns der Nazis, nicht verfolgt, um sich die Loyalität dieser Menschen bei der Rückeroberung zu erhalten. Alle anderen Afrikaner waren zwar nicht Ziel des Vernichtungsprogramms der Nazis, erfuhren in dieser Zeit aber durchaus lebensbedrohende Diskriminierungen.
 

Hans J. Massaquoi

Hans Jürgen Massaquoi wurde in Hamburg als uneheliches Kind einer Deutschen und dem Sohn des Konsuls von Liberia 1926 geboren. Die ersten Lebensjahre verbrachte er mit seiner Mutter in der Villa seines Großvaters unter großbürgerlichen Bedingungen. Als der Großvater Deutschland verließ, zog er mit seiner Mutter in ein Arbeiterviertel nach Hamburg-Barmbek Süd. Seine Kindheits- und Jugenderlebnisse beschreibt er in der Autobiografie „Neger, Neger,
Schornsteinfeger!“ Gemäß der Nazi-Ideologie war er als Nicht-Arier „rassich minderwertig“. Mit Hilfe seiner couragierten Mutter und weniger Freunde überlebte er die zwölfjährige Herrschaft der Nazis.
Durch seine Autobiografie, vor allem durch die Verfilmung, wurde der Rassismus seines Rektors Hinrich Wriede bundesweit bekannt. Bisher galt dieser nur als einer der Gründer der „Finkwarder Speeldeel“ und als „Retter der Quickborn-Gesellschaft“ vor der Gleichschaltung im Dritten Reich.
 

Niederdeutsch im Dritten Reich

Die Machtübernahme der Nazis führte zu grundlegenden Veränderungen in der Presse-und Rundfunklandschaft. Einige Aktive der verschiedenen niederdeutschen Vereinigungen, voran die Fehrs-Gilde und die Vereinigung Quickborn, witterten daher Morgenluft. Für diese Organisationen stellte der Übergang zu veränderten politischen Verhältnissen keinen Bruch dar. Sie waren, wie sie selbst betonten, schon vor 1933 völkisch-konservativ ausgerichtet und dienten sich im vorauseilendem Gehorsam sofort den Nationalsozialisten an. Eine „Gleichschaltung“ und Vereinnahmung solch kompatibler Vereine, zumal unter dem Vorsitz von Parteisoldaten, wie Hinrich Wriede, erschienen den Nazis vielleicht auch gar nicht nötig.
 

Rudolf Kinau Hör mal’n beten to

Rudolf Kinau war der jüngere Bruder von Gorch Fock, geb. 23.03.1887 in Finkenwerder und dort 19.11.1975 gestorben. Er wurde nach und neben verschiedenen Berufen, wie Seemann und Fischauktionator ein beliebter Heimatdichter. Einerseits verhalf ihm die Bekanntheit seines Bruders Gorch Fock sich zu etablieren, andererseits brachten ihm die Radiobeiträge, auch im Schulfunk, enorme Popularität. Medien, die die Nazis stark förderten und nutzten. Das Gros der
Niederdeutschen Autoren verhielt sich gegenüber den Nazis sehr kooperativ. Sie gehörten zu den plattdeutschen Schriftstellern, die im Einklang mit Konzeptionen und Organisationsformen nationalpolitischer Kulturpolitik die niederdeutsche Szene beherrschten. Rudolf Kinau war einer von ihnen und erhielt daher nach Kriegsende für kurze Zeit auch Berufsverbot. V.i.S.d.P.: Finkenwerder Arbeitskreis Außenlager Deutsche Werft des KZ-Neuengarmne, c/o II. Kaufner, Carsten-Fock-Weg 12, 21129 Hamburg